Öffentliche Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

von | Mrz 17, 2022 | Aktuelles | 0 Kommentare

Am 17.03.2022 beriet der zuständige “Ausschuss für Stadtentwicklung, Planen und Wohnen” in öffentlicher Sitzung im Bürgerhaus Michelbach über Änderungsvorschläge der Stadt Marburg, die bereits am 28. Februar erstellt wurden. Vertreter unserer BI nahmen an dieser Sitzung als Besucher teil. Hätte man hier ein differenziertes und kontroverses Diskutieren und Abwägen von Flächen und Nutzungsverhältnissen erwartet, wäre man enttäuscht worden. Es zeichnete sich eine große Einigkeit über den Flächenverbrauch ab, dessen Notwendigkeit kaum in Frage gestellt wurde. Was uns als BI besonders interessierte, war natürlich die Industriefläche G322 im Bereich Moischt-Beltershausen-Heskem. Hierzu will die Stadt folgenden Vorschlag in den Regionalplan einbringen: • Eine im Entwurf des Regionalplans 2010 vorgesehene Fläche von 11 ha nördlich von Gisselberg soll wieder in den Plan aufgenommen werden; • Das Industriegebiet Moischt soll um diesen Betrag verkleinert und Richtung Südosten verschoben werden, ohne daß dies näher konkretisiert wird. Eine eingehende Stellungnahme unsererseits ist dazu erst möglich, wenn ein verbindlicher Plan vorliegt; jedoch ist das grundsätzliche Problem des ausufernden Flächenverbrauchs nicht dadurch behoben, daß man eine große Fläche auf einige kleinere verteilt, und jedenfalls verbleibt eine zusammenhängende Fläche von 22-24 ha (die Angaben in amtlichen Dokumenten sind unterschiedlich) allein für das Industriegebiet. Wir gehen davon aus, dass mindestens eine neue strategische Umweltprüfung erforderlich wird. Nicht überrascht hat uns, dass die Beplanung der Lahnauen aufgegeben werden soll. Ein gemeinsamer Antrag der Linken, Piraten und des Abgeordneten Göttling zum Schutz der Lahnauen wurde gleich zu Sitzungsbeginn zurückgezogen. Dies verstärkte unseren Eindruck, daß die Nutzung der Lahnauen sowieso nie ernsthaft geplant war. Immerhin waren dem Oberbürgermeister die Begrifflichkeiten so wichtig, dass er einen Redebeitrag eines Delegierten unterbrach, um den Begriff „Auen“ zu „Acker“ zu korrigieren. Zwei Redebeiträge erschienen uns so bemerkenswert, dass wir sie an dieser Stelle kommentieren wollen. Ein Vertreter der Grünen räumte selbst ein, dass das Prognos-Gutachten, das der Industrieflächenplanung zugrunde liegt, „eine Projektion der Vergangenheit in die Zukunft, ein ‚weiter so wie bisher‘“ sei. Dem haben wir von unserer Seite wirklich nichts hinzuzufügen. Dazu betonte er, man wolle die „zugestandenen“ Flächen nicht um jeden Preis ausschöpfen; genau das scheint aber hier zu geschehen. Ferner äußerte er, viele Interessen würden um die Nutzung ein und derselben Flächen konkurrieren. Wenn das so ist, wäre es unserer Ansicht nach sinnvoll, nicht schon hier unumkehrbare Entscheidungen zu treffen, die eine Fläche ein für allemal jeder anderen Nutzung – etwa als landwirtschaftliche Fläche oder als Biotop – entziehen. Denn eine industrielle Bebauung und Nutzung hat Folgen, die kaum je rückgängig gemacht werden können. Ob dies zu rechtfertigen ist, kann zu dem Zeitpunkt, da entschieden werden soll, überhaupt nicht festgestellt werden, da offensichtlich noch kein Bauvorhaben für diese Großfläche bekannt ist; zumindest nicht der Öffentlichkeit. Trotz dieser Einsicht stimmten die Vertreter der Grünen für den Vorschlag der Stadt. Diese Thematik wurde einzig von einer Vertreterin der Fraktion „Die Linke“ aufgegriffen: „Wir können doch nicht sagen, wir beanspruchen Flächen und dann sehen wir mal, was daraus wird. Das ist das Pferd von hinten aufgezäumt!“ Sie stellte fest, dass die planerische Praxis, nämlich die Ausweisung größtmöglicher Flächen für noch nicht bekannte Industrieprojekte, im Widerspruch zu den Prinzipien des sparsamen Flächenverbrauchs stehe. Auch dem haben wir nichts hinzuzufügen. Im Ergebnis stellen wir fest: die Grünen räumten ein, daß die Industrieflächenprojekte auf einer überholten, rückwärtsgewandten Auffassung beruhen; das hinderte sie nicht daran, ihnen zuzustimmen. Bemerkenswert war uns schließlich, dass der Oberbürgermeister von „Brachen“ sprach, die man „entwickeln“ müsse und die es in Marburg selbst nun einmal nicht mehr gebe. Wir sind nicht sicher, was genau er mit „Brachen“ meint. Vermutlich sind es landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf denen Nahrungsmittel angebaut werden. Zumindest in den östlichen Stadtteilen Marburgs und den angrenzenden Orten sind uns keine anderen „Brachen“ bekannt.