Stellungnahme zum Artikel „Eine Stadt als Aufkäufer“ in der OP vom 13.05.2023
Die Erhöhung der öffentlichen Quote an Grundstückstransaktionen ist grundsätzlich eine gute Idee. Sie gewährleistet, daß nicht immer mehr Ressourcen in die Hände mächtiger "Investoren" gelangen (für das Grundwasser gibt es bereits Kaufinteressenten). Jedoch sehen wir Transparenz und Gemeinwohlausrichtung nicht gewährleistet. Die Stadt Marburg hat mit der SEG GmbH ihre Boden- und Immobilienaktivitäten aus dem öffentlichen in den privatrechtlichen Bereich verlagert und überwacht sich durch den Aufsichtsrat selbst. Aktuell gründen der Landkreis Marburg-Biedenkopf, die Kommunen, Banken und und Wirtschaftsverbände eine weitere Firma, die WFG GmbH, und zwar rückwirkend zum 1. Januar. Unternehmenszweck ist laut Gesellschaftsvertrag die "Gewerbeflächen-Kommunikation und –Vermarktung für Unternehmen". Da man nicht vermarkten kann, was man nicht besitzt, müssen die Flächen zunächst in Besitz gebracht werden. Das dürfte hinter dem Begriff "Bodenbevorratung" stecken. Bemerkenswert ist auch der im Vertrag vorgesehene "Beirat", den die Gesellschafter ohne öffentliche Kontrolle mit "regionalen Wirtschaftsakteuren" besetzen dürfen und der mithelfen wird, das "Gemeinwohl" zu definieren, dem Kommunen und Landkreis verpflichtet sein sollten. Dabei droht eine Vermischung öffentlichen Handelns mit privaten Interessen. Welche Rolle der Wert "Überleben der Zivilisation" in diesem Gemeinwohlverständnis spielen wird, steht noch nicht fest. Auch zu besserer Kontrolle planerischen und geschäftlichen Handelns werden solche Konstrukte kaum führen: was Marburgs Oberbürgermeister, Aufsichtsratsvorsitzender der SEG, unter Transparenz versteht, demonstrierte er zuletzt in Michelbach, als er dem Ortsbeirat eine zentrale Information zu Görzhausen III trotz konkreter Anfrage verschwieg. Darüber hinaus entsteht ein Hebel gegen unkooperative Grundstückseigentümer. Ein "Flächenvorrat" kann dazu führen, daß nicht verkaufswillige Eigentümer im Umlageverfahren (Grundstückstausch ohne Einwilligung) von ihrem Land gedrängt werden. Im Fall Hasenkopf wurde dies bereits angedeutet. Jedem Grundstückseigentümer oder Landwirt, der Land an eine Kommune, den Landkreis oder eine der von ihnen gegründeten Gesellschaften verkauft, muss daher klar sein: er könnte mithelfen, einen Kollegen, der sein Land nicht aufgeben will, zu verdrängen. Ein Bodenmanagement durch die öffentliche Hand wäre vielleicht zu begrüßen - aber nicht ohne die dafür unabdingbaren Voraussetzungen Transparenz, Kontrolle und Vertrauen.